Juergen 006

Er trat aus dem verrauchten, piependen, dudelnden Laden hinaus auf die Straße. Die Sonne tat ihm in den Augen weh. Seine Sonnenbrille hatte er unterwegs verloren, wahrscheinlich in dieser Eckkneipe mit der älteren vollbusigen Wirtin hinterm Tresen, der der Sprit schon in den Augen stand. “Nu trink mal, Junge“, hatte sie bei jedem Sauren gelallt, den sie ihm einplörrte. Ex und hopp! Ihm war alles Wurscht gewesen, meine Güte, so egal das alles. „Hab doch kein Geld mehr“ hatte er gemurmelt. Die Wirtin hatte abgewinkt, egal, egal, trink man. Hatte wohl Gesellschaft gesucht zum Saufen. Sie hatte Geld in die alte Musicbox geschmissen und ihn zum Tanzen genötigt. Meine Güte, die hatte einen Drall drauf, trotz ihres Suffs. Irgendwann war sie auf die Toilette verschwunden. Und er hatte die Gelegenheit zu einem Griff in die Kasse genutzt. Und war verduftet, war durch die diesigen nebligen Straßen geschlurft, in der Nase den Braunkohlegeruch, der hier an allem zu kleben schien. Vor einer Haustür mit der Nr. 3 hatte er kotzen müssen. Bei der Zahl 3 war es ihm schon öfter hochgekommen. Keine Ahnung, was das zu bedeuten hatte. Er wischte sich Mund und Nase mit dem Ärmel und ging weiter. An der nächsten Ecke blieb er stehen. SPIELSALON las er über einer Tür. Er trat ein und fühlte einen ganz anderen Rausch als den, den er sich gerade aus dem Leib gereihert hatte. Er wühlte in seinen Hosentaschen nach dem Geld und legte los. Die anderen beachteten ihn nicht. Sie hatten genug zu tun mit ihren eigenen Sachen. Münze um Münze wanderte in die gierigen Schlitze. Er konnte es nicht fassen. Er hatte eine Serie, wie er sie noch nie erlebt hatte. Die Automaten spuckten und spuckten, er konnte das Geld kaum noch in seinen Taschen verstauen. Der Wirt öffnete die Tür zum Hinterzimmer. Da saßen ein paar Zocker beisammen, die Scheine wanderten nur so hin und her, blieben auch mal liegen, stauten sich, türmten sich zu ansehnlichen Haufen. Er schluckte, setzte sich und stieg ein. Es war unglaublich! Seine Strähne hielt an. Die Töpfe wurden größer und größer, die Einsätze riskanter – am Ende hatte er sie alle ausgenommen wie die Weihnachts-gänse. „Also was ist jetzt?“ brüllte er sie an. „Hey, ihr habt Schulden ohne Ende! Wie komm ich an mein Geld?“ Die Jungs erhoben sich müde, winkten ihm, ihnen zu folgen. Sie traten aus der Tür und gingen los.
„Hey“, rief er, „was soll das? Ihr könnt nicht einfach so abhauen! Spielschulden sind Ehrenschulden!“ Sie winkten ab und schlurften weiter, blieben stehen und der größte und mieseste der Typen zeigte müde auf die Autos, die vor einem Haus mit verrammelten Fenstern parkten. „Da. Nimmse Dir. Mehr ist bei uns nicht zu holen.“ Oh nein. Er hielt sich die Hand vor den Mund, bog und krümmte sich, wedelte mit dem anderen Arm die Jungs beiseite und rannte, so schnell er konnte. Die drei Zocker starrten ihm nach, Hände in den Hosentaschen, kopfschüttelnd, wirklich konsterniert. So standen sie da ein Weilchen, dann sagte der Längste: „Na lass ma. Ick jloobe so’n Wessi is’ den Kerls doch sowieso nich jewachsn.“ Und sie stiegen ein und fuhren los, froh, ihre Spielschulden auf so `ne lockere Art los zu sein.